Kino hat in der Rhein-Neckar-Region eine lange Historie. 1895 gilt als das Jahr, in dem die ersten Filmvorführungen für ein zahlendes Publikum überhaupt stattfanden - in New York und im Berliner "Wintergarten", wo eine kurze Filmpräsentation die Schlussnummer einer Varieté-Aufführung bildete. Ab Dezember 1895 gingen die Gebrüder Lumière in die Geschichte ein mit ihren Vorführungen im "Salon Indien" am Boulevard des Capucines in Paris. Ihr "Kinematograph", mit dem sie von Stadt zu Stadt reisten, trat in der Folge einen Siegeszug durch ganz Europa und die Welt an.
Im April 1905 eröffnete dort, wo sich heute das Gloria Kino befindet, in Heidelberg das "Central Theater lebender Photographien" - im Juni 1906 folgte das "Union Theater" in Mannheim. Dies war der erste anspruchsvolle Filmtheater-Neubau im Deutschen Reich überhaupt, der über ein einfaches Ladenkino oder mobile Jahrmarktsattraktionen hinausging und sich eher an ein großbürgerliches Publikum wandte, u.a. mit der aufwändigen Architektur und Ausstattung. 200 Plätze hatte das Filmtheater - und es wurde ein großer Erfolg.
In den 20er Jahren kam es zu einer ganzen Reihe von Neueröffnungen in Mannheim, die Aufsehen erregten: Das Alhambra mit 1.100 Plätzen öffnete 1924 (Architekt: Heinrich Heckert), das Capitol - heute renommiertes Konzert- und Veranstaltungshaus, aber kein Kino mehr - folgte 1927 und wurde von Paul Darius geplant. 1929 entstand das vom Bauhaus-Architekten Fritz Nathan entworfene Universum mit 1.230 Sitzen. (vgl. Herbert Spaich: Von Atlantis bis Urania - Filmtheater in Baden-Württemberg)
Das älteste auch heute noch als Kino betriebe Lichtspielhaus Mannheims ist aber unser Odeon Kino in G 7,10 - eröffnet 1928 und seit 1978 als Programmkino geführt. Mehr dazu unten.
Odeon
Das "Odeon" Kino im Quadrat G 7 mit heute 128 Plätzen eröffnete bereits 1927 in der westlichen Mannheimer Unterstadt und ist somit das älteste heute noch als solches genutzte Filmtheater der Stadt. Im selben Jahr sorgte die Erfindung des Tonfilms für einen wahren Kino-Boom. Nach dem 2. Weltkrieg übernahm Käte Wenz das Kino. Anfang / Mitte der 60er Jahre kam es zu einer Unterbrechung des Spielbetriebs, als die bisherige Pächterin sich auf das Pforzheimer "Cinema" konzentrierte. Der Ludwigshafener Unternehmer Christian Benra übernahm und bot am Wochenende vorwiegend italienische Filme in Originalsprache für die zahlreichen damals so genannten "Gastarbeiter" in Mannheim an - eine lukrative Marktlücke in Zeiten vor Home-Video, Satelliten-TV oder gar Streaming. Zugleich leitete Benra den Filmverleih "Apollo". Nachdem Benra 1965 verstorben war, führte seine Familie, zeitweise mit weiteren Partnern, das Kino weiter - ebenso wie weitere Kinos im Pfälzer Umland. Nach einem erneuten Leerstand Mitte der 70er Jahre pachtete Thomas Esser 1978 das Odeon und richtete im Foyer eine kleine Kneipe ein - seither wurde das Haus als studentisch geprägtes Programmkino geführt, das immerhin so gut lief, dass der Saal zulasten der Kneipe vergrößert wurde. Damals konnten sowohl 16 mm - als auch 35 mm - Filme gezeigt werden. In Deutschland kam spätestens in den 70er Jahren die Programmkino-Welle auf: Engagierte Kinobetreiber wollten mehr als nur seichte Unterhaltung bieten, sie fassten Film als eigene Kunstform auf und schlossen sich zu "Abspielringen" zusammen, um internationale Filmkunst nach Deutschland zu holen, aber auch dem deutschen Autorenfilm eine Bühne zu bieten. 1993 übernahm Dr. Hans Laumann das Kino, das inzwischen mit dem Atlantis Kino in K 2 zusammen gehörte, und betrieb beide Häuser bis zu seinem Tod 2023 als Filmkunst- und Programmkinos. Unter seiner Ägide wurde auch die Digitalisierung der Projektionstechnik vollzogen, d.h. die Umstellung von der herkömmlichen 35 mm - Projektion. Viele Jahre war Michael Spiegel, seit 2004 ist Erdmann Lange Programmverantwortlicher für beide Häuser. Beide wurden auf Bundes- wie auf Landesebene mehrfach für ihre herausragende Programmarbeit jenseits des Mainstreams ausgezeichnet. 2024 übernahmen zwei Kino-Enthusiasten um Wolfgang Traber den Betrieb, die bereits auf Erfahrungen an diversen anderen Standorten zurückblicken können und 2025 zudem in Mannheim die "Planken Lichtspiele" in der Innenstadt neu eröffnen werden.
Atlantis
Im früheren "Spiegelsaal" des Gesangsvereins "Mannheimer Liedertafel" richteten die Filmtheaterbetriebe Hubertus Wald 1950 ein Kino ein, das "Kurbel" genannt wurde - wie alle Häuser der Kinokette. Damals hatte das Haus nur einen Saal, wo sich heute Kino 2 befindet, war ein geräumiges Foyer mit Sitzgelegenheiten und Vitrinen, in denen lokale Firmen werben konnten. Der kleine Balkon hinten im Saal, der zuvor als Konzert- und Probensaal für den Gesangsverein gedient hatte und deshalb über eine Holzbühne und eine gute Akustik verfügt, wurde mit so genannten "Pärchensitzen" versehen. An der Decke leuchtete schon damals ein "Neon -Kleeblatt", wie es auch heute noch vorzufinden ist - bei einer großen Renovierung 2002 wurde versucht, den typischen 50er Jahre - Charakter des Saales zu erhalten. Unter den Mannheimer hieß das Kino wegen des recht blutrünstigen Programms bald "die Blutkurbel" - von anspruchsvollem Arthousekino war man damals weit entfernt, stattdessen wurden Actionfilme und B-Movies geboten. Zweitweise wurde die Kurbel in den 70er Jahren auch mit fremdsprachigen Vorstellungen für die in dieser Ära zahlreich nach Mannheim geholten ausländischen Arbeitskräfte bespielt - als sogenanntes "Gastarbeiterkino". 1982 übernahm dann Thomas Esser, der bereits einige Jahre das Odeon in G 7 betrieben hatte, und benannte das Kino um - seither heißt es "Atlantis". 1985 wurde der 2. Saal hinzugefügt, indem das Foyer im 1. OG verkleinert wurde. Der große, repräsentative Saal 1 wurde jedoch erhalten, obwohl es zeitweise Pläne gab, ihn ebenfalls zugunsten eines 3. Saals zu verkleinern. 1993 übernahm Dr. Hans Laumann sowohl das Atlantis als auch das Odeon und betrieb diese bis zu seinem Tod 2023 als Filmkunst- und Programmkinos. 2002 verantwortete er eine aufwändige Renovierung des Atlantis, ohne den nostalgischen Charme des Kinos zu zerstören. Das Kino verfügt nach wie vor über 2 Säle mit 275 sowie 62 Plätzen. Viele Jahre war Michael Spiegel, seit 2004 ist Erdmann Lange Programmverantwortlicher für Atlantis und Odeon, die längst fest zum Mannheimer Kulturleben gehören. Beide Kinomacher wurden auf Bundes- wie auf Landesebene mehrfach für ihre herausragende Programmarbeit ausgezeichnet. 2024 übernahmen Kino-Enthusiasten um Wolfgang Traber den Betrieb, die bereits auf Erfahrungen an diversen anderen Standorten zurückblicken können und 2025 zudem in Mannheim die "Planken Lichtspiele" in der Innenstadt neu eröffnen werden.